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Sichtvermerk

Bei den Rapsfeldern,
da, im Sonnenschimmer,
seiht der Tag das Grau
von Augenbinden ab und
hängt sie in den weißen
Rauch, der fernaufsteigt
über der Zementfabrik.

(aus: „Irrläufer“)

 

Ährenlicht

Er sieht es noch vor sich,
wie er hochgehoben wurde,
wie er mitfahren durfte
in der Mähdrescherkabine,
auf dem Schoß des Fahrers,
in das Gleißen hinein,
sieht es noch vor sich,
wie er es vor sich sah:
das Weizenmeer.


Aufhellung

Mückenflirren
stützt die Brunnenfigur.

Am Marktstand gibts
die ersten Mirabellen.

Ein Geigenstrich
kreuzt einen Sonnenstrahl.

Musikschulfenster
stehen offen.

 

Sommerhalde

Diese kleine Parzelle im Gemeinschaftsgarten.
Weit entfernt von den Salzrändern einer Erkenntnis.
Gedanken, die dir beim Ausgeizen der Tomatentriebe kommen.
Im Gegenlicht das, was Rothko als Durchatmetheit bezeichnet.


Im Freibadgekreisch

Untergehen, dich von der erhitzten Körperwoge
gleichaltriger Mädchen tunken lassend, hinab
zu den Sonnenflecken, den Lichtreflexen
auf dem völlig stillen Beckenboden.

 

WALLE (WALTER-HERMANN) SAYER

1960 geboren, Kindheit und Jugend im ­Schatten des 1478 erbauten und 6o m hohen Bierlinger ­Kirchturmes, der mit seiner Höhe „ein Veto ragt
ins amtierende Licht“.
Lebt und schreibt in Horb.
Veröffentlicht seit 1984 Gedichte und Prosa.
Zuletzt erschienen: „Strohhalm, Stützbalken“, Gedichte, 2013;
„Was in die Streichholzschachtel paßte“, Feinarbeiten, 2016;
„Mitbringsel“, Gedichte 2019.
Im Frühjahr 2021 erscheint „Nichts, nur“, ein Auswahlband.

Verschiedene Auszeichnungen, zuletzt:
Basler Lyrikpreis, 2017; Gerlinger Lyrikpreis 2018;
2020/2021 Werkstipendium des Deutschen Literaturfonds.
Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller und im P.E.N.