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27.04.

Garten

das hellste Bild
Sonne und Blattwerk

und mittendrin er

einen Fuß in den Gräsern
den anderen auf einer steinernen Schnecke

eine Übersetzung
für Glück und
dahinter das

und alles im Licht

meine Hand gab mir Schatten
so fand ich das Bild

 

Am Morgen

    Jeder Morgen glaubt an Gott.
    Karl Krolow

endlich fällt in dich ein
das Licht   Geträumtes brauchst du
dir nicht zu deuten    
vor dir liegt ein Blatt
das macht keine Angst
du frierst nicht    deine Haut
ist vertraut mit der Luft
du könntest Berührung riskieren
du setzt dich    du horchst
schaust aus dir heraus    und die
Augen    ein starkes ein schwaches
wie sind sie voll Eifer
bei der Erschaffung der Welt

 

Augenblick im Raum

warum erschreckst du dich
als plötzlich das Licht
durch die Halle zieht?

weil ich an große Flügel dachte
weil ich die leere Kuppel nur schwer aushalten konnte
und nun merke, daß sie mir leer bleiben muß

weil ich nicht weiß, ob ich Erscheinungen mag

Tina Stroheker

1948 in Ulm geboren, Studium, seit 1983 freie Schriftstellerin. Als Dichterin, schreibende Reisende und Gestalterin literarischer Projekte gehört sie zu den wichtigen Autorinnen des Landes. Zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt Andreas-Gryphius-Preis (2017). Mitgliedschaft u.a. im PEN-Zentrum Deutschland. Neben ihrer Lyrik haben sowohl ihre Bücher über Polen als auch ihre mutigen ‚Notate vom Lieben’ (2013 „Luftpost für eine Stelzengängerin“) viel Aufmerksamkeit gefunden. Zuletzt (2018) erschien „Inventarium. Späte Huldigungen“, eine poetische Autobiografie.